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DVR-Vorstandsbeschluss Alkohol und Radfahren

Einführung eines Ordnungswidrigkeitentatbestandes für alkoholisierte Fahrradfahrer

Beschluss vom 29. Oktober 2014 auf der Basis der Empfehlung der Vorstandsausschüsse Verkehrsmedizin, Erste Hilfe und Rettungswesen, Erwachsene Verkehrsteilnehmer und Recht

Deutscher Verkehrssicherheitsrat – 2014

Beschluss

Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) empfiehlt dem Gesetzgeber, einen Ordnungswidrigkeitentatbestand für am Straßenverkehr teilnehmende Fahrradfahrer einzuführen, die eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,1 Promille und mehr aufweisen.

Begründung

Der DVR sorgt sich um die Sicherheit zahlreicher Fahrradfahrer, die trotz erheblichen vorherigen Alkoholkonsums am Straßenverkehr teilnehmen. Damit gefährden diese nicht nur sich selbst, sondern stellen auch eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer dar. Der DVR und andere Organisationen haben sich in den letzten Jahren mit zahlreichen Präventionsangeboten und Kampagnen1 darum bemüht, deutlich zu machen, dass der Konsum von Alkohol und die Teilnahme am Straßenverkehr, ob als Führer eines Kraftfahrzeuges oder als Fahrradfahrer, nicht miteinander vereinbar sind.

Die derzeitige Rechtslage lässt es aber zu, dass Fahrradfahrer bis zu einer BAK von 1,5 Promille (zuzüglich 0,1 Promille Sicherheitszuschlag) Alkohol trinken und trotzdem Fahrrad fahren dürfen - es sei denn, es sind deutliche Anzeichen für die Fahrunsicherheit beweisbar. Angesichts der unten aufgeführten statistischen Zahlen ist diese bisherige gesetzliche Regelung aus Sicht der Verkehrssicherheit nicht ausreichend. Der DVR fordert den Gesetzgeber auf, diese „Regelungslücke“ zu schließen und zum Schutz der Verkehrsteilnehmer - analog der 0,5 Promillegrenze des § 24 a Straßenverkehrsgesetz (StVG) bei Kraftfahrzeugführern - einen Verkehrsordnungswidrigkeitentatbestand für Fahrradfahrer einzuführen.

Damit würde ein deutliches Signal gesetzt, dass vorhergehender Alkoholkonsum für das Führen eines Fahrrades mit hohen Risiken behaftet ist und ab einem zu definierenden Grenzwert nicht geduldet werden kann.

Aus wissenschaftlichen Erkenntnissen2 ergibt sich, dass ab einem Wert von mehr als 1,0 Promille grundsätzlich Ausfallerscheinungen auftreten. Von daher erscheint die Festsetzung eines Grenzwertes auf dieser Basis als zielführend.

Hintergrund

  1. Neueste Ergebnisse einer Studie der Unfallforschung der Versicherer und des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Düsseldorf3 zeigen, dass es ab mehr als 0,8 Promille BAK zu einer signifikanten Zunahme von eher seltenen „groben“ Fahrfehlern im Vergleich zum Nüchternzustand kommt. Probanden, die unter kontrollierten Bedingungen Alkohol konsumierten und anschließend auf dem Fahrrad einen realitätsnahen Parcours zu bewältigen hatten, zeigten ab etwa 1,0 Promille BAK eine exponentielle Fehlerzunahme in Bezug auf Fahrfehler und im ärztlichen Bericht dokumentierten Ausfälle.
     
  2. Während im Recht der Ordnungswidrigkeiten eine entsprechende rechtliche Regelung (§ 24 a Abs. 1 StVG), die das Fahren unter Alkoholeinfluss missbilligt, für Kraftfahrzeugführer existiert, fehlt eine solche für Fahrradfahrer. Zwar kann ein alkoholisierter Fahrradfahrer, gemäß § 316 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB), mit einer BAK von 0,3 Promille und mehr den Tatbestand einer Straftat verwirklichen, wenn er alkoholbedingt nicht mehr in der Lage ist, sein Fahrzeug sicher zu führen, doch bedarf es dann stets zusätzlicher Anzeichen zum Beweis seiner Fahrunsicherheit. Diese sind bei Fahrradfahrern aber schwer festzustellen, weil im Gegensatz zu Kraftfahrzeugführern ein Fehlverhalten, das diesen Beweis führen ließe, wie z.B. Nichteinschalten des Scheinwerferlichts bei Dunkelheit oder vorschriftswidrige Nutzung der Fahrbahn, auch bei nüchternen Fahrradfahrern häufiger vorkommt. Anders verhält es sich nur bei Eintritt eines Schadens durch einen Verkehrsunfall.
     
  3. Im Jahr 2012 gab es insgesamt 577.204 Beteiligte an Unfällen mit Personenschaden. Davon war bei 15.259 Beteiligten die Verkehrstüchtigkeit durch Alkoholeinfluss beeinträchtigt4. Fahrradfahrer machten dabei einen Anteil von 24,4 %5 aus.
     
  4. Mehr als 84% der 2012 alkoholisiert an Verkehrsunfällen mit Personenschaden beteiligten Radfahrer wiesen BAK-Werte von 1,1 bis 3,0 Promille und mehr auf6.
     
  5. Bei fast jedem vierten Alkoholunfall war ein Fahrradfahrer der Hauptverursacher.7

gez.
Dr. Walter Eichendorf
Präsident

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1 z.B. „Rücksicht im Straßenverkehr“-Kampagne

2 GDV e.V., Forschungsbericht Nr. 28: Grenzwerte für absolute Fahruntüchtigkeit bei Radfahrern, Berlin, August 2014, Verweis auf Gerchow J.: Alkohol im Straßenverkehr. In: Singer MV, Teyssen S., Alkohol und Alkoholkrankheiten. S. 532-540, Springer-Verlag Berlin-Heidelberg, 2005.

3 GDV e.V., Forschungsbericht Nr. 28: Grenzwerte für absolute Fahruntüchtigkeit bei Radfahrern, Berlin, August 2014

4 Destatis (2013): Unfälle unter Einfluss von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln im Straßenverkehr 2012 (Seite 11)

5 Destatis (2013): Unfälle unter Einfluss von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln im Straßenverkehr 2012 (Seite 11)

6 Destatis (2013): Unfälle unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen berauschender Mittel im Straßenverkehr 2012 (Seite 26)

7 3.457 alkoholisierte Fahrradfahrer als Hauptverursacher bei Unfällen mit Personenschaden 2012, insgesamt 14.305 alkoholisierte Fahrzeugführer als Hauptverursacher. Quelle: BASt-Auswertung Information vom 5. September 2014

 

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